Sind Transparenz und Rückverfolgbarkeit auch ein Gastro-Thema?

In der Gastronomiebranche gibt es im Vergleich zum Supermarkt bisher keine gesetzliche Vorgabe zur Transparenz von Lebensmitteln. Während man in Geschäften aufgrund der Informationen auf den Verpackungen nachsehen kann, woher die Produkte stammen oder ob sie mit einem bestimmten Siegel ausgezeichnet sind, ist man in Gastronomiebetrieben von einer solchen Transparenz bisher noch weit entfernt.

Photo by Gastivo

Dabei ist das Thema inzwischen in der Breite angekommen: Die Menschen machen sich zunehmend Gedanken darüber, was in ihrem Essen enthalten ist. Sie achten dabei nicht nur auf die Inhaltsstoffe und Nährwerte, sondern wollen auch wissen, woher die Lebensmittel kommen, die sie zu sich nehmen. Bei unseren Nachbarn in der Schweiz ist das heute schon möglich. Dort ist die Herkunftskennzeichnung in der Speisekarte bereits seit ein paar Jahren Pflicht. Aber auch ohne auf gesetzliche Vorgaben zu warten, lässt sich mit dem Thema Werbung für den eigenen Betrieb machen. Viele Food und Trend Experten sehen Transparenz in 2022 als eines der wichtigsten Themen im Lebensmittelbereich und damit auch in der Gastronomie.

Der Begriff der Rückverfolgbarkeit

Die Rückverfolgbarkeit von Lebens- und Futtermitteln und von Lebensmittelverpackungen ist in der EU gesetzlich geregelt. Ferner enthalten bekannte Zertifizierungsstandards in der Lebensmittelbranche (IFS, BRC) konkrete Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit.

Der gesetzliche Rahmen gibt vor, dass alle Lebensmittelunternehmen unter anderem die folgenden Aspekte gewährleisten müssen:

  • Bei Wareneingängen muss der Vorlieferant identifizierbar in einer geordneten Dokumentation erfasst werden.
  • Warenausgänge an gewerbliche Abnehmer müssen ebenso dokumentiert werden.
  • Die Informationen müssen den zuständigen Behörden auf Verlangen vorgelegt werden.
  • Die speziellen Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten, die der Rückverfolgbarkeit dienen, müssen eingehalten werden (z. B. Rindfleischetikettierung, gentechnisch veränderte Lebensmittel etc.).

Die explizite Pflicht zur Gewährleistung einer durchgängigen, internen Rückverfolgbarkeit ist in der Basisverordnung nicht vorgeschrieben.
In der Realität besteht selten eine Beziehung zu ausschließlich einem Lieferanten. Sobald ein Glied der Kette nicht in der Lage ist, den Lieferanten einzelner Inhaltsstoffe eindeutig zu identifizieren und die Verwendung der erhaltenen Zutaten zu benennen, ist die Rückverfolgbarkeit nicht mehr gewährleistet.

Wirtschaftlicher Nutzen

Transparenz in den eigenen Lieferketten und Herstellungsprozessen liefert aber auch wirtschaftlichen Nutzen. Denn zu den gesetzlichen Anforderungen kommen inzwischen Marktanforderungen seitens der Kunden. Immer mehr Kunden wünschen sich Transparenz über die Herkunft und die Herstellung der von ihnen gekauften Produkte. Die Lebensmittelskandale der Vergangenheit haben zu einer gestiegenen Sensibilisierung geführt. Insbesondere der Handel, aber auch Produktionsunternehmen kommen diesem Bedürfnis nach, in dem sie die Herkunftsnachweise und die Rückverfolgbarkeit dem Verbraucher zugänglich machen.

Das Thema Rückverfolgbarkeit ernst zu nehmen und im eigenen Betrieb effektiv umzusetzen, ist auch eine wirtschaftliche Entscheidung und begründet sich nicht nur aus den Anforderungen der Gesetzgebung oder der Zertifizierung. Einige wirtschaftliche Gründe sind im Folgenden aufgeführt.

  • Vermarktung, indem man die Möglichkeit einer gesicherten Nachvollziehbarkeit der Herkunft des Produktes und seiner Bestandteile positiv gegenüber dem Kunden kommuniziert.
  • Einsparung durch eine bessere Planung und Voraussage des Wareneinsatzes sowie Reduzierung des Aufwands für die Informationsbereitstellung an Behörden im Ereignisfall, bei Betriebskontrollen oder externen Audits.
  • Steuerung, denn durchgängige Kontrolle der Herstellung und die Möglichkeit bei Abweichungen schnell eingreifen zu können helfen, insgesamt bei der Verbesserung der Betriebsführung.
  • Verbesserung durch Nachvollziehbarkeit bei Mängeln im Herstellungs- oder Zubereitungsprozess, bei Produktmängeln und Beschwerden und die Möglichkeit, gezielte Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.
  • Risikomanagement, denn Rückverfolgbarkeit und Auskunftsfähigkeit bieten Schutz vor Imageverlust und damit verbundenem Kundenverlust.

Regionalbewusstsein und Transparenz als Marketingvorteil

Viele Nahrungsmittel sind heutzutage ganzjährig und unabhängig von der heimischen Jahreszeit verfügbar. Angesichts der Globalisierung im Nahrungsmittelsektor wächst bei Verbrauchern aber auch der Wunsch, wieder einen persönlichen Bezug zu Lebensmitteln zu finden. Mit regionaler Küche können sich Gastronomen und Landwirte ein Profil schaffen, das sie von Mitbewerbern abhebt und diesen Wunsch erfüllt. Wachsendes Regionalbewusstsein kann zum Marketingvorteil werden und schafft zugleich gute Rahmenbedingungen für Transparenz.

Durch persönlichen Kontakt zwischen Landwirt und Gastronom entstehen qualitativ hochwertige, kulinarische Angebote. Zudem bringt die regionale Küche einen Zugewinn für die gesamte Region: Ssie stärkt das Regionalbewusstsein, verbessert die Wertschöpfung in der Region und trägt dazu bei, eine hohe Lebensqualität im ländlichen Raum mit seiner gewachsenen Kulturlandschaft zu erhalten.

Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit sind miteinander verbunden und bieten ein breites Themenfeld. Es gibt deshalb eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die breite Gruppe bewusster Verbraucher mit dem eigenen Gastronomiebetrieb anzusprechen. Ein Ansatz konzentriert sich um Beispiel auf Gesundheit, ein anderer auf Lebensmittelverschwendung und ein dritter auf das Tierwohl.

Typische Probleme für Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der Gastronomie

Große Unternehmen haben viele Voraussetzungen für Rückverfolgbarkeit und Transparenz inzwischen gut umgesetzt und die internen Abläufe passend organisiert. Bei kleineren und mittleren Betrieben wird das Thema dagegen oft noch nicht so ernst genommen und funktioniert deshalb nicht gut. Die wichtigsten Gründe hängen bei Gastronomiebetrieben mit folgenden Punkten zusammen.

  • Wechselnde Lieferanten bzw. Einkaufsmöglichkeiten je nach Angebotslage:
    Aus finanziellen Gründen kaufen Gastronomiebetriebe häufig bei Discountern. Eine exakte Zuordnung dieser Waren zu den jeweiligen Dokumentationen (Lieferscheine, Rechnungen, Kassenzettel) nach Zusammenführung im Lagerungs- bzw. Produktionsprozess zur Herstellung eigener Produkte ist dabei dann häufig nicht mehr möglich.
  • Entfernen und Entsorgen der Umverpackung von Lebensmitteln, ohne Erfassen der relevanten Kennzeichnungselemente (z. B. Hersteller, Chargennummer etc.)
  • Einfrieren von Lebensmitteln ohne Kennzeichnung des Einfrierdatums:
    Das Einfrierdatum ließe Rückschlüsse auf das Kaufdatum und den Erwerbsort zu. Häufig werden jedoch keine Aufzeichnungen an der beim Einfrieren genutzten Verpackung aufgebracht.
  • Fehlende Lieferpapiere ergeben sich oft bei kleineren Unternehmen, die auf Grund geringer Liefermengen nur in festgelegten Intervallen eine Sammelrechnung über die Gesamtlieferungsmenge erhalten.
  • Aufbewahrung relevanter Dokumente außerhalb des Betriebes:
    Häufig werden wesentliche Dokumente nicht vor Ort aufbewahrt, sondern befinden sich beispielsweise in einem Steuerbüro.
  • Der Wille und das Vorbild der Unternehmensführung sind entscheidend: Der Aufbau und die Nutzung eines Rückverfolgbarkeitssystems sind keine Frage des Nicht-Könnens im Sinne der Unmöglichkeit der Abbildung der Prozesse, sondern scheitern eher am Nicht-Wollen. Wichtig ist es dabei auch, das Personal zu schulen, um eine gesamtbetriebliche Einsicht in die Notwendigkeit zur Rückverfolgbarkeit zu entwickeln.

 

Ansätze, die auch bei kleinen Gastronomie-Betrieben funktionieren

Ein guter Ausgangspunkt ist die Beschaffung von Zutaten und Rohware ausschließlich über wenige ausgewählte Lieferanten. Der Bezug von Fleisch über einen regionalen Ökoverbund ist ein Beispiel für eine qualitativ hochwertige Lieferantenauswahl. Auch die Hersteller von Gewürzen und entscheidenden Zutaten sollten passend zum eigenen Qualitätsanspruch ausgewählt werden. Eine auf langjährige Partnerschaft angelegte Zusammenarbeit ist eine bewährte Basis. Eine Öko-Zertifizierung aller Lieferanten und Partner schafft weitere Sicherheit, denn öko-zertifizierte Betriebe werden regelmäßig von der Öko-Kontrollstelle überprüft. Bestandteil dieser Überprüfung ist auch die Rückverfolgbarkeit.

Die Rückverfolgbarkeit wird in kleinen Betrieben insbesondere durch eine bewusst überschaubare Lieferantenstruktur und bei kurzer Haltbarkeit der Verkaufsware gefördert. Das zentrale Ordnungskriterium ist das Mindesthaltbarkeitsdatum und die Einhaltung des First-in/First-out-Prinzips. Die Lieferungen und die Einkäufe müssen erfasst werden. Die Dokumentation umfasst die Warenart und die Menge. Wenn keine Software-Unterstützung dafür vorhanden ist, werden Listen für die Entnahme mindestens händisch geführt. Die Daten sollten dann später zusätzlich in Excel übernommen werden, um die betriebswirtschaftliche Auswertung zu ermöglichen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum und damit die Charge kann bei Bedarf anhand der Entnahmemengen und der Lieferscheine ermittelt werden.

Am besten ist es aber, mittelfristig die nötige Erfassung in das eigene Warenwirtschaftssystem einzubinden. Auch für kleine Gastro-Betriebe gibt es dazu inzwischen gut einsetzbare Lösungen.

 

Transparenz und Rückverfolgbarkeit als Marketing-Instrument

Empfehlenswert ist der Einsatz regionaler Zutaten und Bio-Produkte, die auch für Gäste und Kunden sichtbar gekennzeichnet werden sollten. Viele Konsumenten vertrauen auf Bio und Fairtrade Siegel. Verzichten sollte man auf Produkte mit vielen Zusatzstoffen. Stattdessen sollten vermehrt möglichst naturbelassene oder Clean-Label-Produkte eingesetzt werden. Immer zu beachten ist, dass alle Inhaltsstoffe und Allergene ausgezeichnet sind.

Auf jeden Fall sollten den Kunden Einblicke in die Produkte und Speisen gegeben werden, die im eigenen Betrieb eingesetzt werden. Dazu sollte auf dem eigenen Webauftritt eine Seite mit Informationen über die Herkunft der eingesetzten Produkte angelegt werden. Erläutert werden sollte dort auch, mit welchen Lieferanten zusammengearbeitet wird, welche Produktionsbedingungen dort vorliegen und wie mit Tieren und der Umwelt umgegangen wird.

Der inzwischen so universell einsetzbare QR-Code kann auch hier als Informationsmedium im Laden oder Restaurant genutzt werden, denn per QR Code können diese Informationen auf einfache Weise von den Kunden und Gästen abgerufen werden.

 

Fazit

Egal, ob als Kleinbetrieb oder Restaurantkette: Die Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln wird zur Normalität werden. Das Thema bildet inzwischen einen wichtigen Bestandteil für Kundenbindung und Gäste-Zufriedenheit. Kunden bleiben einem Unternehmen treu, das einen einfachen und verlässlichen Zugang zu Produktinformationen bietet und diese auch offen darlegt. Betriebe, die diese Informationen für ihre Gäste effektiv nutzen, werden am Markt deutlich Vorteile haben. Und nicht zuletzt werden Gäste auch bereit sein, mehr für das Essen zu bezahlen, weil sie besser bewerten und einschätzen können, was auf ihren Tellern ist.

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