Die Gäste sind so frei

Glutenfrei, laktosefrei, alkoholfrei – heutzutage definiert sich Individualität nicht mehr darüber, was man isst, sondern was nicht. Für Gastronomiebetriebe ist das oft eine Herausforderung. Wie Gastronomen diese meistern und vielleicht sogar als Chance nutzen können.

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In Hamburger Gourmetkreisen kursiert schon seit einiger Zeit die Anekdote von einer großen Geburtstagsrunde für die auf Wunsch ein aufwendiges veganes, laktosefreies 3-Gänge-Menü vorbereitet wurde – und die sich dann spontan doch für das reguläre Menü entschied: Rinderfilet, Sahnesoße, Brot, Butter – weil das doch alles so lecker klingt“.

 „Frei von“-Wünsche kosten Gastronomen Zeit, Nerven und Geld

Solche Szenarien bringen Spitzenköche verständlicherweise auf 180. Auch wenn deren Ausmaß für Gourmet-Restaurants am fatalsten ist, kostet ein solches Verhalten jeden Betrieb Nerven und Geld. Jedes umsonst gekochte Gericht ist eines zu viel, auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Doch auch die umgekehrte Situation kann Köche und Küchenmanager ins Schwitzen bringen: Ohne Vorwarnung prasseln plötzlich diverse „frei von“-Sonderwünsche auf die Küche ein. Schlimmstenfalls in deren Rushhour oder zu unerwarteten Stoßzeiten. Da hilft nur, einen kühlen Kopf zu bewahren und vorbereitet zu sein. Zumindest was das Vorhandensein allergiearmer Produkte oder Alternativen angeht.

Alternativen in petto

So gibt es beispielsweise für laktosefreie Kaffeegetränke jede Menge Alternativen auf Basis von Soja, Hafer oder Reis. In Sachen Geschmack und Schäumungsverhalten muss womöglich experimentiert werden. Etwas schwieriger ist das in Weizenmehl vorkommende Gluten (auch Klebereiweiß) zu substituieren, da es in Sachen Verarbeitung aufgrund seiner „klebenden“ Eigenschaft ziemlich unschlagbar ist. Dennoch gibt es diverse Mehlsorten aus Buchweizen, Mais, Reis oder Hafer, die sich je nach Verwendungszweck unterschiedlich gut eignen. Doch wenn sogar Pizzabäcker wohlschmeckende glutenfreie Pizzen kredenzen können, sollte glutenfrei nirgends ein Grund zur Verzweiflung sein. Und alkoholfreie Getränke gibt es in sowieso allen möglichen Aromen und Texturen.

Glücklicherweise müssen für Mehl- oder Kuhmilchersatz nicht diverse und teure Spezialanbieter angesteuert werden. So berücksichtigt die Einkaufsgenossenschaft für die Hotellerie und Gastronomie (HGK)  beispielsweise mit ihrem Sortiment sämtliche Anforderungen, die neue Ernährungsweisen sowie Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten an Produkte stellen: „Unser Lieferantenpool ist so aufgestellt, dass Hoteliers und Gastronomen beim Bezug dieser Artikel nicht mehr Lieferanten als nötig konsultieren müssen. Dies macht den Einkauf deutlich leichter und übersichtlicher und ermöglicht zudem bessere Preise“.

Woher kommt die große Nachfrage überhaupt?

Unstrittig ist, dass Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten, im Vergleich zu noch vor ein paar Jahrzehnten, tatsächlich zugenommen haben. Demzufolge ist auch das Bewusstsein dafür in der Bevölkerung deutlich gestiegen. Ein Großteil der Menschen, die heutzutage auf bestimmte Lebensmittel verzichten, tut dies dann auch ohne medizinische Indikation. Sie ernähren sich vegan, gluten- oder laktosefrei, weil sie den Eindruck haben, dass es ihrem Körper dann besser geht. Dazu kommt, dass das wachsende Angebot allergiearmer Produkte auch deren Nachfrage schürt. Hinter der Ablehnung bestimmter Nahrungsmittel steht mit Sicherheit auch der aktuelle Zeitgeist. Eine bewusste Ernährung mit gesunden Zutaten und manuell hergestellten, frischen Speisen ist keine Nische mehr für Gesundheitsfanatiker, sondern eine wachsende Trendbewegung. Insbesondere in den großen Städten findet sich eine wachsende Anhängerschaft der „Frei von“-Philosophie sowie von nachhaltig produzierten Lebensmitteln.

Herausforderung als Chance begreifen

Zum Leidwesen der Gastronomie. Oder auch als Glücksfall für diese. Je nach Lage und Flexibilität könnte so mancher Restaurant- oder Café-Besitzer dies auch als Chance sehen und auf den Trend aufspringen. Dazu muss nicht gleich das ganze Konzept geändert werden aber eine Neu-Orientierung der Speisekarte eröffnet unter Umständen neue Zielgruppen. Dies kann in kleinen Schritten, abhängig von der bisherigen Nachfrage, angetestet werden. Bei großer Resonanz lohnt vielleicht eine eigene „Frei von“-Rubrik auf der Karte, die dann auch werbewirksam vermarktet werden sollte. Außerdem können sich derart spezialisierte Gastronomien in die Restaurant-Datenbank des Allergie-Portals mein-allergie-portal.com eintragen lassen. In Großbritannien gibt es übrigens bereits einen Wettbewerb für FreeFrom-Restaurants – hierzulande werden bei den jährlichen „Free From Food Awards“ immerhin schon diverse Lebensmittelkategorien gekürt.

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