Aroma-Trends in der Gastronomie – Die Suche nach dem nächsten Kick

In der modernen Gastronomie hat sich das Spiel mit ungewöhnlichen Aroma-Kombinationen zu einem wichtigen Innovationsfaktor entwickelt, denn Gäste suchen zunehmend nach einzigartigen Geschmackserlebnissen, die überraschen und überzeugen. Die Fähigkeit ungewöhnliche Kombinationen zu kreieren, die harmonisch zusammenwirken, kann einem Restaurant helfen, sich von der Konkurrenz abzuheben.

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FOOD-PAIRING – DIE WISSENSCHAFT VOM SPIEL MIT DEN AROMEN

Seit 2015 gibt es einen regelrechten Wettstreit unter den Rezeptentwicklern. Sie experimentieren, mit welchen Aromen, Gewürzen und Zutaten sich außergewöhnliche und geschmackvolle Ergebnisse erzielen lassen. Auch Wissenschaftler forschen daran, welche Aromen sich gegenseitig optimal ergänzen und zusammen zu einem harmonischen Ganzen verbinden. Food-Pairing entwickelte sich zu einem wichtigen Trend.

Inzwischen ist Food-Pairing eine innovative Methode, die auch in der Ausbildung von angehenden Köchen und Gastronomiefachleuten immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Durch die Kombination von Aromen, die auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen, können einzigartige Gerichte entwickelt werden.

Die Suche nach neuen Geschmackserlebnissen hat eine lange Geschichte: Es begann mit der Fusionsküche in den 1980ern mit einer Mischung landestypischer Kochstile und Zutaten und der Integration von Küchen verschiedener Länder in neue Gerichte und Produkte. In den 1990ern folgte das Food-Pairing: Gastronom Heston Blumenthal stellte beim Experimentieren mit Zutatenkombinationen fest, dass Kaviar und weiße Schokolade sehr gut zusammen schmecken und bezog dies auf gemeinsame Aromakomponenten beider Zutaten. Das sogenannte Chaos-Cooking seit den 2020ern geht darüber hinaus: Es versucht Zutaten und Produkte miteinander zu kombinieren, die auf den ersten Blick nicht kompatibel sind und Grenzen sprengen.

Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Neueinführungen von Lebensmitteln und Getränken, die mit Trends bei Aromen in Verbindung gebracht werden, beträgt in den letzten drei Jahren mehr als 20 Prozent. Gerade die jüngeren Generationen sind ständig auf der Suche nach immer neuen einzigartigen Geschmacksprofilen, die ihren Gaumen verführen. Jeder dritte der Millennial- und Generation Z-Konsumenten sucht nach neuen Aromen und verschiedenen Geschmacksrichtungen bei Lebensmitteln und Getränken. Das beflügelt auch die Behandlung dieses Themas in den sozialen Medien, allen voran Influencer-Empfehlungen auf Tiktok-Videos.

KLEINER EXKURS ZUR THEORIE VON GESCHMACKSPROFILEN

Das Geheimnis hinter dem Erfolg von geschmacklichen Paarbildungen liegt in den chemischen Eigenschaften der Aromen. Jedes Lebensmittel besitzt ein einzigartiges Aromaprofil, das durch spezifische Moleküle charakterisiert wird. Wenn zwei Lebensmittel ähnliche oder ergänzende Moleküle teilen, können sie, wenn sie kombiniert werden, ein harmonisches Geschmackserlebnis erzeugen.

So können bestimmte Enzyme in manchen Früchten die Aromastoffe in Fleisch verstärken und umgekehrt. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Kombination von Ananas und Huhn, bei der die in der Ananas enthaltenen Enzyme das Fleischaroma verstärken. Ein weiteres Beispiel ist die Kombination von Rotwein und Käse, bei der die Tannine im Wein mit den Fetteiweißstoffen im Käse reagieren, was zu einem volleren Geschmackserlebnis führt.

Unter den klassischen Kombinationen finden sich Paarungen, die aufgrund ihres harmonischen Aromas beliebt sind. Diese Kombinationen haben sich über Jahre hinweg bewährt und bieten eine sichere Grundlage für köstliche Gerichte. Beispiele sind Tomate und Basilikum, Steak und Rotwein, Apfel und Zimt.

Innovatives Food-Pairing geht über traditionelle Grenzen hinaus und sucht nach einzigartigen Kombinationen, die überraschen und begeistern können. Diese Kombinationen erfordern Mut und ein gutes Verständnis für die Komplexität des Geschmacks, zum Beispiel Wassermelone und Feta, Schokolade und Blauschimmelkäse, grüner Tee und Lachs. Ein unerwartetes, aber herausragendes Food-Pairing ist die Kombination von Avocado und Kakao. Die reiche, cremige Textur der Avocado und die bittersüße Komplexität des Kakaos erzeugen zusammen ein überraschend harmonisches Dessert, das sowohl reichhaltig als auch erfrischend ist.

DAS WECHSELSPIEL VON HARMONIE UND KONTRAST

Ein tieferer Einblick in die Geschmackstheorie zeigt, dass es nicht allein darum geht, Geschmacksharmonien zu kombinieren, sondern auch darum, Kontraste zu schaffen. Die Süße kann durch Salz hervorgehoben werden, die Schärfe wird durch süße oder saure Noten gemildert. So erzeugt die Kombination von salzigem Karamell und Schokolade einen intensiven und zugleich ausgewogenen Geschmack, der die einzelnen Komponenten besser zur Geltung bringt.

Ein guter Ausgangspunkt für die Erforschung neuer Geschmacksideen ist es, mit Gewürzen und Kräutern zu experimentieren, da diese oft vielschichtige Aromen besitzen, die sich auf überraschende Weise mit anderen Lebensmitteln verbinden können.

Ein fortgeschrittenes Konzept bei der Kombination von Aromen ist die Berücksichtigung der sensorischen Temperatur der Lebensmittel. Einige Aromen werden als „warm“ empfunden, wie Zimt oder Vanille, während andere als „kühl“ gelten, wie Minze oder Zitrone. Die Kombination eines warmen und eines kühlen Elements kann zu einem besonders ausgewogenen und ansprechenden Geschmacksprofil führen.

MIT ALLEN SINNEN

Unsere Geschmackwahrnehmung ist eine komplexe Angelegenheit. Alle fünf Sinne sind daran beteiligt. Für den Geschmack sind Rezeptoren auf der Zungenoberfläche zuständig, die süß, bitter, sauer, salzig und umami wahrnehmen. Zusätzlich fühlen wir Frische, Schärfe oder Textur, also haptische Eindrücke. Auch die Wahrnehmung über den Geruch oder Duft ist essenziell. Was kaum bekannt ist: Die Duft-Wahrnehmung kann nicht nur durch aktives Riechen über die Nase, sondern auch retronasal über den Rachenraum zu Stande kommen. Hinzu gesellen sich dann meist noch visuelle und auditive Eindrücke, die den Sinneseindruck vervollständigen.

Alle Düfte sind mehr oder weniger flüchtig. Damit Düfte beim Kochen, Braten oder Backen im Gericht verbleiben und nicht in die Umgebung verdampfen, muss man den Molekülen ein gutes Lösungsmittel anbieten – wobei „gut“ in diesem Fall nicht nur die Löslichkeit meint, sondern auch, dass das Mittel außerdem wohlschmeckend und verträglich ist. Für den Gebrauch in der Küche qualifizieren sich daher Wasser, Öle und Alkohol.

VINTAGE VIBES UND MODERN BITES

Vertraute Aromen in Kombination mit modernen Geschmacksinterpretationen, das bezeichnet man aktuell mit dem Schlagwort „Vintage Vibes and Modern Bites“. Fast die Hälfte der Verbraucher bevorzugt das Vertraute und gibt an, dass traditionelle Aromen und nostalgische Geschmacksrichtungen ihre Lebensmittel- und Getränkeauswahl am meisten beeinflussen.

Geschmacksfusionen erwecken klassische Genussmittel wie Eiscreme mit Whiskey und Pekannuss-Pralinen kombiniert mit Hühnchen und Waffeln zu neuem Leben, indem sie süße und herzhafte Aromen plus cremige Textur und knusprige Beschaffenheit zu einem Gesamteindruck verbinden.

DAS SPIEL GESCHMACKLICHER GEGENSÄTZE

Inzwischen hat die Geschmackskombination süß und würzig den früheren Hype um die Geschmacksqualität „umami“ abgelöst. Umami bezeichnet einen vollmundigen Geschmack, wie er typisch für Fleisch, Käse oder Pilze ist. Obwohl die Kombination von Süße und Schärfe bereits seit langem existiert, wurde der Begriff „swicy“ als Wortverschmelzung aus den englischen Begriffen „sweet“ und „spicy“ dafür neu geprägt und zeigt bei den Menüs einen rasanten Anstieg in der Beliebtheit.

Mit „swicy“ ist ein Geschmacksprofil in der Breite angekommen, das eine spezielle Form des „Flavor Contrast“ darstellt, eine Geschmacksgestaltung, die zuvor nur Spitzenrestaurants, gehobenen Bistros und avantgardistischen Speisekonzepten zugeordnet wurde. So findet man bereits Honig auf der Pizza großer Marken. Und Getränkehersteller verfeinern ebenfalls mit würzigen Noten die süßen Softdrinks, die für den Genuss in sommerlicher Hitze gedacht sind.

Dabei ist zu beachten, dass die Empfindung für Schärfe, wie sie etwa von Pfeffer, Chili oder Ingwer vermittelt wird, keine Geschmacksqualität ist, sondern ein Schmerzreiz – genauso wie die kühlende Wirkung der Minze. Diese Wahrnehmung korrespondiert mit dem Gefühl für Hitze und Kälte. Daher brennt zum Beispiel Chili beim Schneiden oder Entkernen auch an den Händen und seine Schärfe zieht ähnliche Schweißausbrüche nach sich wie große Hitze.

Die Verwendung von sauren und bitteren Elementen in einem Gericht kann die Geschmackstiefe und -intensität erhöhen. Das Spiel mit Temperaturen, wie die Kombination von heißen und kalten Komponenten in einem Gericht, verleiht dem Ganzen eine zusätzliche Dimension.

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DER SIEGESZUG DER BITTERNOTE BEI GETRÄNKEN

Im Barbereich dominieren zurzeit Mixgetränke mit Bitternote in fruchtiger Kombination auf leichter, unaufdringlicher Weinbasis. Ein paar Snacks und Abendlicht: Mehr braucht es nicht für einen Aperitivo. Die Grundlage dafür wurde mit Aperol gelegt.  Dabei ist das Getränk inzwischen mehr als 100 Jahre alt. Aber der Erfolg des Aperol ist so groß wie nie. Auf der ganzen Welt wird inzwischen die italienische Cocktail-Ikone getrunken, die in bauchigen Gläsern mit vielen Eiswürfeln, einer halben Orangenscheibe und mit einem Strohhalm serviert wird.

Neuer Trendsetter im Bereich von herb-fruchtigen Getränken ist Déjà-Vu: fernöstliche Zitrusnoten, leichte Ingwerschärfe und orientalische Gewürze bilden die Grundlage für vielseitige sommerliche Mixturen.

Und auch die Luxus-Marke Chandon hat kürzlich Garden Spritz auf den deutschen Markt gebracht. Erstklassiger Schaumwein trifft darin auf Bitterlikör und natürlichen Orangenschalenextrakt, ganz ohne künstliche Aromen oder Farbstoffe. Die sommerlich fruchtige Note wird durch Gewürze wie Bitterorange und Kardamom ersetzt, sodass er auch bei trüberem Wetter mundet – ideal für den Absatzmarkt Deutschland.

TECHNISCHE ORIENTIERUNG FÜR DIE KOMPLEXE AROMAWELT

Die Suche nach neuen Aromen und die gezielte Verwendung bestimmter Zutaten, um die perfekte Harmonie zwischen den Kontrasten zu erreichen, erfordert viel Erfahrung oder ein tiefes Verständnis für die kulinarische Wissenschaft.

Inzwischen gibt es zu dem komplexen Thema aber auch Software-Unterstützung: Unter www.foodpairing.com kann man sich in einer Datenbank mit mehr als 1.700 analysierten Produkten umsehen. Man kann alle diese Produkte vergleichen und interessante Paare finden. Natürlich wird man dort auch auf einige Klassiker stoßen, die man bereits kennt, aber man kann auch manche innovative und neuartige Geschmackskombination entdecken. Von Kräutern bis zu Milchprodukten, von Fleisch bis zu Fisch, von lokalen bis zu exotischen Produkten – mit Hilfe der Filter lässt sich ganz einfach nach Lieblingsprodukten suchen. Im ersten Schritt wählt man einfach eine Hauptzutat und das System schlägt Schritt für Schritt mögliche Kombinationen vor. Eine Welt voller neuer Geschmackskombinationen wartet darauf, erkundet zu werden, eine wunderbare Inspirationsquelle für alle kreativen Küchenchefs, Bartender und Unternehmen, die ihren Geschmackshorizont erweitern möchten.

FAZIT

Aromen und Texturen spielen eine entscheidende Rolle beim Kreieren von einzigartigen und ausgewogenen kulinarischen Erlebnissen, denn sie beeinflussen die Geschmackswahrnehmung und das Mundgefühl ganz maßgeblich. Harmonische Kombinationen verstärken positive Geschmackserlebnisse, während Kontraste interessante und komplexe Gerichte schaffen.

Um die besten Zutatenkombinationen zu finden, kann man zur Inspiration auf wissenschaftliche Daten zurückgreifen, die Geschmacksmoleküle analysieren und dann mit gängigen oder ungewöhnlichen Kombinationen experimentieren. Man kann spezielle Websites und Apps nutzen, die Vorschläge basierend auf molekularen Ähnlichkeiten bieten. Als Ausgangspunkt sollte man sich immer von traditionellen Küchen inspirieren lassen.

 

Bildnachweise 

(1) Bhofak2 via canva.com
(2) Juefragphoto via canva.com
(3) Momcilog via canva.com
(4) Aninka Bongers-Sutherland via canva.com
(5) Galitskaya via canva.com

Picture of Manfred Troike

Manfred Troike

Inhaber von LEINENLOS, Blog über Menschen, Ideen und Trends in der Gastronomie. www.leinenlos-blog.de

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